Misserfolg auf Sika in Irland

Während der Sika-Brunft in Irland zur Jagd gehen … eine tolle Sache … jedenfalls, wenn die Rahmenbedingungen stimmen … Diese Reise wurde zum ärgerlichsten Reinfall aller meiner inzwischen über 20 Auslandsjagden. 

Schon Wochen vor Reiseantritt wollte der Reisevermittler, Blaser Safaris, im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen Irlands meinen Europäischen Feuerwaffenpass im Original bei den irischen Behörden einreichen – neben einer Kopie meiner Jagdversicherung und meines deutschen Jagdscheins. Der Pass würde rund einen Monat nicht verfügbar sein. Da ich in diesem Zeitraum aber mehrfach auf Jagdreise war, war das unmöglich. Man konnte aber eine der angeblich guten und getesteten Jagdwaffe an Ort und Stelle für 25 Euro täglich leihen, hieß es. Ich nahm das zum Anlass, mir eine Leihwaffe im Kaliber .270 Winchester zur Ausleihe zu bestellen – ein folgenschwerer Fehler wie sich später zeigte.
   
Schießtechnisch war ich diesmal gut vorbereitet, denn ich hatte einen exzellenten zweitägigen Kurs absolviert, bei dem wir uns in Schritten von 25 Metern an Ziele auf 300 Metern herangearbeitet hatten. Ich hatte dabei ganze 60 Schuss Jagdmunition verbraucht und fühlte mich mit meiner Waffe sicher. Allerdings hatte ich dabei eben mit meiner eigenen Waffe geschossen.
  
Nach einem eineinhalbstündigen Flug nach Dublin und fast 6 Stunden gemütlicher Fahrt mit einem winzigen japanischen Leihwagen, kam ich gegen 19 Uhr in Killorglin an. Die Unterkunft war ein Volltreffer: ein gemütliches kleines Hotel mit Pub und Restaurant und Wirtsleuten, die sich sehr bemühten. Mit mir waren noch zwei Dänen dort untergebracht, Vater und Sohn, die auch auf Sika jagten und mit denen ich mich in den kommenden Tagen etwas anfreundete. Sie kamen über einen anderen Jagdreiseveranstalter.

Rundum empfehlenswert

Am nächsten Morgen warteten um 6.30 Uhr unsere „Guides“ auf dem Parkplatz vor dem Hotel auf uns. Überraschenderweise sollten wir in unseren Autos den Guides folgen. Ich war darauf nicht vorbereitet und sah die ersten Kilometer so gut wie nichts, weil meine Scheiben beschlagen waren und es zudem stockdunkel war und ich nicht auf Anhieb den richtigen Autoscheinwerfer fand. Die Dänen und ich folgten dem roten Kleinwagen der zwei Guides in halsbrecherischer Geschwindigkeit bis zu einem ersten Absetzpunkt. Dort blieben meine zwei neuen Jagdkameraden mit ihrem Guide zurück und ich fuhr weiter hinter dem roten Auto her. Insgesamt haben wir rund 20 Kilometer zurückgelegt.
 
Wir fuhren schließlich irgendwo einen Hügel hinauf und mein Guide, ein Deutscher, der selbst Urlaub machte, um Jagdgäste zu führen, erklärte mir erstmal, wie gut er die Gegend kenne und dass ich keinen Rucksack und auch sonst keine Waffenauflage brauche. Später erzählte er mir, lange in Irland gelebt und quasi die Sika-Jagd dort etabliert zu haben. Naja, dachte ich, ganz schön selbstbewusst.
Er hatte ein langes Zweibein mit – leider für seine Größe angefertigt und somit rund 15 Zentimeter zu klein für mich. Er übergab mir mein Gewehr, eine alte Remington 700 mit einem ebenso alten Zielfernrohr 8x56, das innen mit schwarzen Partikeln stark verschmutzt war. Ich war wenig begeistert. Gelegenheit zu einem Probeschuss bestand nicht. Wie die Waffe eingeschossen war, ließ sich nicht ermitteln. Das Gewehr schieße aber gut, versicherte der Guide. Aha.
   
Meine Leihwaffe: Nicht einsetzbar
   
Wir marschierten erst zwei Stunden über den Hügel, fanden jedoch nur eingezäunte Schafweiden mit aggressiven jungen Widdern vor und gingen dann unterhalb von unserer Parkposition in eine Tannenschonung. Der Guide meinte, die Zäunung sei neu, er habe sie nicht gekannt und damit habe es keinen Sinn dort auf Sika zu pirschen. Weil man angeblich nicht auf dem Wanderweg gehen durfte, mussten wir in Sichtweite des Weges querfeldein laufen, obwohl um diese Zeit niemand außer uns dort war. Aber gut.
  
Der Guide rief mit einem Hirschruf und tatsächlich hören wir das Pfeifen des Sikawildes in der Brunft als Antwort. Wir schlugen uns quer durch die Schonung und ich merkte, wie sich der Hirsch immer weiter von uns entfernte. Schließlich ließ mich der Guide alleine weiterziehen, denn das Gelände war so dicht, dass man kriechen musste. Nach 40 Minuten kam ich erfolglos zurück. Wahrscheinlich hätte man das Wild besser seitlich umgangen.
Auf dem Rückweg zum Auto passierten wir die Brunftkuhle eines Hirschen. Aber es blieb dabei, dass wir kein Tier sahen. Wir hörten auch keines mehr.
  
Brunftkuhle
    
Zurück im Hotel verzehrten die Dänen, die ebenfalls erfolglos unterwegs gewesen waren, und ich ein großes irisches Frühstück. Und nach einem Mittagsschlaf ging es um 16 Uhr wieder raus und wir pirschten entlang eines Flüsschens durch ein Tal. Das Gelände war meist sumpfig und es ging durch Bäche und schlammige Wiesen. Einmal blieben wir eine halbe Stunde an einer Stelle liegen, als wir ein Geräusch am anderen Ufer hörten und meine Spannung stieg sofort massiv an. Aber es war kein Wild zu sehen.
Schließlich erreichten wir einen Punkt mitten auf einer riesigen schlammigen Wiese, von wo aus wir gutes Sicht- und Schussfeld auf einen Waldrand hatten. Dort blieben wir rund eineinhalb Stunden sitzen und warteten. Kurz nach acht war es dunkel und wir brachen ab. Der Guide verabschiedete sich und zeigte mir auf dem Heimweg grob einen Treffpunkt, an dem ich am kommenden Morgen um 6.30 Uhr warten sollte. Warum er mich nicht mehr führte, weiß ich nicht. Ich war allerdings nicht traurig darüber.
  
Im Hotel quatschten die Dänen und ich beim Abendessen über Jagdpolitik. Die meisten Probleme ähneln sich – inklusive des inzwischen nach Dänemark einwandernden Wolfes.
   
Obwohl ich genug Zeit eingeplant hatte, war ich rund 10 Minuten zu spät am Treffpunkt, denn es war nicht leicht, sich auf der erneut rund 20 Kilometer entfernten Fahrt im Dunkeln zu orientieren. Ich hätte diesen Punkt nicht ohne Navigationssystem im Auto gefunden. Dort wartete der Outfitter in einem Geländewagen und es ging weiter.
Ausgangspunkt der Pirsch war ein etwas verwahrlost wirkender Bauernhof, der weitere rund 10 Kilometer durch ein schwer zugängliches Tal entfernt lag. Dort übergab mich der Outfitter dem Farmer und fuhr wortlos ab.
    
Die Landschaft jedenfalls war herrlich ...
    
Der Farmer, ein mittelalter Mann mit Gummistiefeln und Pudelmütze, den ich nicht gerade auf Anhieb in mein Herz schloss, verlangte erst einmal mein Fernglas. Er habe keins und er müsse ja wohl Wild ausmachen können. Komische Methode für einen Guide. Naja, jedenfalls hatte er die Freundlichkeit, die Qualität meines 8x30 Zeiss-Glases zu loben. Dann marschierte er mit mir bergauf. Zwar brauchte ich ihn nicht um eine Pause zu bitten, aber dennoch waren dieser und der folgende Tag körperlich fordernd.
  
Der Morgen war noch leicht nebelig und kälter als der Vortag und als wir nach rund einer Stunde endlich Wild in den Anblick bekamen und ich durch mein Glas sah, war es zusätzlich zu der vorhandenen Verunreinigung im Inneren auch noch beschlagen. Ich war darauf nicht vorbereitet, weil moderne Zielfernrohre natürlich über eine Anti Fog-Beschichtung verfügten, die das Beschlagen verhindert. Der Farmer brüllte mich an, ich solle endlich schießen, aber ich tat das ohne ausreichende Sicht natürlich nicht.
  
Erfolglos marschierten wir zurück und ich ruhte mich im Hotel aus. Ohne mein Navigationssystem hätte ich am Abend den Hof nicht mehr gefunden. Aber schließlich gelangte ich glücklich erneut dorthin.
Wieder marschierten wir bergauf, wieder stand ein Sika in angemessener Entfernung. Aber erst fand ich das Tier mit der feststehenden achtfachen Vergrößerung nicht gut, dann sah ich vor lauter Nebel und Partikeln nicht viel und schoss wieder nicht. Wieder brüllte der Mann mich an – jedenfalls so lange, bis ich ihm sagte, ich finge an, ernsthaft böse zu werden, wenn er sich jetzt nicht endlich beherrsche.
  
Am nächsten Morgen das gleiche Spiel: Wir marschierten auf den gleichen Berg, ich sah wieder so gut wie nichts, schoss aber diesmal als ich halbwegs sicher auf dem Wildkörper war. ... Vorbei. Ich stellte jetzt wütend fest, dass sich das Zielfernrohr mit der Montage auf der Waffe einen halben Zentimeter vor und zurück bewegte und fast ebenso viel seitlich Spiel hatte. Ich hatte auf meinen Rucksack aufgelegt geschossen, so wie in Schottland viele Male zuvor. Der Farmer sah sich ungläubig die Waffe an. „Damit kannst du nicht treffen, das hat keinen Sinn. Wir verschwenden mit diesem Gewehr nur unsere Zeit“, gab er zu und bestätigt, dass ich eine gute, ruhige Auflage gehabt hatte. Wir marschierten ins Tal.
  
Er rief den Outfitter an, dass die Waffe dringend ausgetauscht werden müsse. Ich informierte parallel den Reiseveranstalter Blaser Safaris, bekam aber eine wenig hilfreiche Antwort. Klasse dachte ich, nicht zum ersten Mal erlebte ich auf einer Jagdreise einen Missstand, aber nie vorher machte sich jemand so sehr zum Teil des Problems, statt zum Teil der Lösung.
  
Wir saßen rechts von dem kleinen runden Hügel im Hintergrund
     
Abends vor dem letzten möglichen Ansitz brachte mir der Outfitter an einem telefonisch vereinbarten Treffpunkt missgelaunt eine neue Waffe. Natürlich wieder ohne Gelegenheit zum Probeschuss. Den Treffpunkt konnte oder wollte er auch nicht nennen. Er versäumte es aber nicht, zu betonen, dass natürlich jeder andere mit der alten Remington treffe. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er sich ein Bein ausriss, ich meinte, wer seinen Gästen einen solchen Schießprügel wie die klappernde Remington gegen Gebühr lieh und noch dazu ohne Möglichkeit eines Probeschusses, hätte sich wenigstens ins Hotel bemühen und entschuldigen müssen.
  
Auf verlorenem Posten mit der neuen Leihwaffe
   
Wir saßen dann abends nach kurzer Bootsfahrt in der Ebene in einem mückenverseuchten Geländeabschnitt. Es kam aber kein Wild und nach vier Stunden brachen wir mit zerstochenen Gesichtern ab.
  
Zu Hause in Deutschland konsultierte ich einen Anwalt, den ich über den Interessenverband der Auslandsjäger (IVA) kannte. Wir schrieben Blaser Safaris an und nach einigem unerfreulichen Hin- und Her, darunter einer Reihe falscher Aussagen des Outfitters (u.a. wurde nicht zugegeben, dass der letzte Guide selbst festgestellt hatte, dass ich mit der Remington nicht treffen konnte), erhielt ich wenigstens die reinen Kosten der Jagd zurück. Trophäengebühr war ja keine angefallen und den Flug und meine sonstigen Ausgaben durfte ich selbst tragen. Die verschwendete Zeit und den Ärger würde mir natürlich auch niemand ersetzen. Ich kann naturgemäß diese Reise nicht empfehlen und empfinde auch den Umgang mit meiner Beschwerde durch Reisevermittler und Outfitter als inakzeptabel. Zufrieden bin ich einzig darüber, dass ich kein Tier krank geschossen habe und es war sicher gut, die Jagd mit der schadhaften Waffe abzubrechen.
Vielleicht muss man nicht dem Wahlspruch erfolgreicher Händler „The customer is always right“ folgen. Alternativ die Methode „Blame the customer“ anzuwenden, halte ich jedenfalls für falsch. Ich kann im Interesse anderer Jäger nur hoffen, dass man wenigstens daraus gelernt hat.
   
Ich selbst – nur so für den Fall, dass meine Schießfertigkeit angezweifelt werden sollte – schoss wenige Wochen danach auf einer phantastischen Reise nach Spanien zwei Steinböcke, darunter einen auf 240 Meter – allerdings mit meiner eigenen Waffe. Mein Guide war ein erfahrener, hochprofessioneller Berufsjäger und kein Tourist oder örtlicher Farmer ohne Fernglas. Die Leute waren freundlich und die Stimmung war gut – wie sehr unterschied sich das von der ganzen Irlandreise. Im Folgejahr fiel noch ein Steinbock – auf 180 Meter und weiteres Wild. Einen Fehlschuss habe ich seitdem nicht mehr getan …