Umweltschutzverbände behindern EU-Pläne zur Dezimierung von Neozoen

37 gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten sind laut EU in Europa unerwünscht – darunter auch der Waschbär, dessen Verbreitung und Populationszahl in Deutschland rasant steigt. Doch wer ihn zurück drängen will, muss dafür Geld in die Hand nehmen.

Die Europäische Union hat den Waschbär in die Liste der invasiven, gebietsfremden Arten aufgenommen, deren primäres Ziel die Eindämmung der Arten ist. Der Deutsche Jagdverband (DJV) befürwortet diese Entscheidung. "Da der Waschbär dem Jagdrecht unterliegt sind Jäger kompetente Ansprechpartner, wenn es um die Reduzierung von Wildtierbeständen in der Fläche geht", sagt Dr. Jürgen Ellenberger, DJV-Präsidiumsmitglied und zuständig für Neozoen. "Aber öffentliche Aufträge bedürfen öffentlicher Mittel." Der DJV fordert eine finanzielle Unterstützung der Jäger. Dies könnte etwa das Bezuschussen von Fallen, elektronischen Fallenmeldern und Fahrtgeld sein, denn Fangjagd ist zwar eine äußerst effektive Jagdart, aber sehr kosten- und zeitaufwändig.

Die Bemühungen der EU werden jedoch im Moment von einigen Bundesländern mit neuen Jagdgesetzgebungen konterkariert: In Hessen etwa ist die Jagdzeit des Waschbären auf den Zeitraum vom 1. August bis zum 28. Februar reduziert worden. "Dies ist völlig unpraktikabel, da die Tiere in der Hälfte der Zeit sehr inaktiv und damit kaum zu bejagen sind", ist Ellenberger überzeugt. Die Bejagung von Jungwaschbären fällt so ebenfalls weg. Um eine Art einzudämmen, ist gerade das Entnehmen des Nachwuchses nötig. In anderen Bundesländern ist die Fangjagd prinzipiell verboten, wie etwa in Berlin. Jäger sprechen sich jedoch gegen einen Vernichtungsfeldzug aus: Der Elterntierschutz gilt auch für invasive Arten – Waschbärmütter, die Junge versorgen müssen, dürfen auch künftig nicht bejagt werden.

Ausrottung des Waschbären unmöglich
"Eines muss klar sein: Es ist nicht möglich, den Waschbären aus Deutschland wieder zu entfernen. Er hat sich etabliert und wird Deutschland auch weiter erobern", sagt Ellenberger. Wir können jedoch beeinflussen, wie schnell er sich ausbreitet und wie stark sein räuberischer Einfluss auf die heimische Tierwelt ist. Die bisher vorliegenden Daten sind alarmierend: Seit 2005 beobachten Forscher in Brandenburg einen vehementen Bestandsrückgang der Europäischen Sumpfschildkröte. Wo der Waschbär vorkommt, weist nahezu jedes zweite Reptil schwere Verletzungen auf, wie abgebissene Gliedmaßen und Schwänze. In Thüringen macht der Waschbär dem Uhu die Brutplätze streitig. Er besetzt zwischenzeitlich jeden zweiten potenziellen Brutplatz. Außerdem liefern die Jäger über ihr WILD-Monitoring (Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands) seit 2006 wertvolle Daten zur Ausbreitung des Waschbären. Demnach hat der Waschbär sein Verbreitungsgebiet deutschlandweit in sieben Jahren nahezu verdoppelt und kommt jetzt fast in jedem zweiten Jagdrevier vor (46 Prozent).

Jagd ist keine Schädlingsbekämpfung im Auftrag der Politik (Foto: JagdWaffenNetz)

"Wenn wir die heimische Artenvielfalt erhalten wollen, gibt es nur zwei Stellschrauben: Lebensräume erhalten und verbessern sowie Fressfeinde reduzieren", sagt Ellenberger. Angesichts der rasanten Ausbreitung räuberisch lebender, gebietsfremder Arten und dem fortschreitenden Lebensraumverlust etwa für Arten der Offenlandschaft und Feldflur fordert der DJV eine flächendeckende Bejagung. Dies schließt auch urbane Räume mit ein.

Käseglockennaturschutz veraltet
Völlig gegenläufig sind die derzeitigen politisch motivierten Bemühungen, in Kernarealen von Schutzgebieten die Jagd auf Waschbären auszusetzen. "Es ist absurd, dass wir auf der einen Seite über Beseitigungsfeldzüge gegen invasive Arten diskutieren und auf der anderen Seite großflächig eine Bejagung von Prädatoren in keiner Weise stattfindet", so Ellenberger. Besonders Flächeneigner wie die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) sollten sich dringend überlegen, ob sie ihrem Verständnis von aktivem Artenschutz überhaupt noch gerecht werden können. Gleiches gilt für Flächeneigner wie NABU und BUND. "Das gesamte Schutzgebietssystem und das derzeitige Konzept des Artenschutzes in Deutschland gehören auf den Prüfstand".

Schluss mit dem Etikettenschwindel beim NABU
Der DJV fordert Naturschutzverbände vor dem Hintergrund der EU-Entscheidung auf, sich zur Fangjagd zu bekennen und auch auf Bundesebene intensiver mit Jägern zu kooperieren: Auf Bundesebene positioniert sich der NABU "gegen den Fallenfang im Rahmen der Jagdausübung", findet dieses Mittel aber legitim im Rahmen des "Wildtiermanagements" und setzt es bundesweit in Projekten ein. "Dem Fuchs ist es egal, ob auf der Falle ‚Jagd‘ oder ‚Wildtiermanagement‘ steht. Das ist moderner Etikettenschwindel", fasst Ellenberger zusammen.
Im Amtsblatt der Europäischen Union wurde am 14. Juli eine Liste mit 37 invasiven, gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten veröffentlicht; rechtskräftig wird diese am 3. August 2016. Diese Liste ist in Verbindung mit einer seit Januar in Kraft getretenen Verordnung der EU zu sehen, die Mitgliedsstaaten zu verstärkten Bemühungen gegen die Ausbreitung invasiver, gebietsfremder Arten verpflichtet.

Pressemiteilung der DJV vom 21.07.2016

Kommentar der Redaktion:
Ob der Waschbär und andere Neozoen nicht bei massiver Bekämpfung mit Falle und Waffe und möglicherweise zusätzlicher anderer Maßnahmen sowie bei Veränderung der Möglichkeiten (z.B. Nachtsicht, Jagdzeiten, Köder) nicht doch weitgehend eliminiert werden können, ist nicht bewiesen.
Mit klassischer Jagd hat das selbstverständlich nichts mehr zu tun und kann der Jägerschaft nur auf freiwilliger Basis nahegebracht werden.
Grundsätzlich gilt, dass ohne zusätzliche, auch finanzielle Anreize invasive Pflanzen und Tiere (inklusive Fische und Amphibien) nicht bekämpfbar sind. Die Jägerschaft sollte sich in jedem Fall nicht in die Rolle eines "Schädlingsbekämpfers" im Auftrag der Politik drängen lassen. Ähnliches gilt für "Aufgaben" beim Monitoring von Luchsen und Wölfen, bei Wildunfällen, bei der Reduktion von Schwarzwild etc. Wenn Politik und Behörden meinen, vom Jagd- bis zum Waffenrecht alles weiter einschränken und unfreier gestalten zu müssen, dann sollen sie entweder diese Probleme alleine lösen oder - auf freiwilliger Basis allerdings - für eine Lösung durch die Jägerschaft bezahlen.